Dienstag, 23. November 2010

Jucheeeeh ich bin ein Schulkind

Im Rahmen meines „Perspectives on Education“ Kurses (also über verschiedene Bildungsperspektiven) durfte ich für eine Woche wieder zur Schule gehen. Endlich bekam ich die Gelegenheit genau die Sachen zu sehen, derentwegen ich in den hohen Norden gereist bin.
Ich wurde von Andreas begrüßt, er ist Mitte 30, hat drei Kinder, ist Deutsch-/Schwedischlehrer und spielt gern Tennis. Das allein ist schon sehr bezeichnend für Schweden und das Bildungssystem im Allgemeinen und diese Schule im Speziellen. Die Lehrer sind hier im Durchschnitt ca. 35 Jahre alt und damit sehr viel jünger als ihre deutschen Kollegen. Auch ist Andreas' Familie mit drei Kindern eher die Regel als die Ausnahme und wieso auch nicht, denkt man sich, schließlich muss die kommende Generation ja die aktuelle finanziell absichern. Also haltet euch alle mal ordentlich ran.
Nach einem kleinen Rundgang durch das Schulgebäude fielen mir einige Dinge auf: auf den Gängen gibt es für jeden Schüler einen Spint für die Sachen und Bücher, die Räume sind alle sehr gut ausgestattet – Beamer, Whiteboard, Computer mit Internetzugang und Lautsprecher um schnell mal ein Video in den Unterricht einfliessen lassen zu können. Der Musikraum würde jedem deutschen Musiklehrer wohl auch Tränen in die Augen treiben angesichts der immensen Anzahl der zur Verfügung stehenden Gitarren, Keyboards, E-Gitarren etc. Auch die Bücher die im Unterricht genutzt werden sind selten älter als 4 Jahre und wie die Schreibblöcke und Stifte (!!!) kostenlos für jeden Schüler. Es gibt viele Sitzecken und Möglichkeiten sich die Pausen zu vertreiben unter anderem eine Computerecke mit zehn Computern, einem riesigen Fernseher und einem Kickertisch. Ausserdem bekommen alle jeden Tag ein kostenloses Mittagessen das eher an ein Hotelbuffet als an eine öde Schulspeisung erinnert, ich halte das grundsätzlich für eine klasse Alternative zum Inhalt deutscher Brotbüchsen.
Die Rahmenbedingungen können also als hervorragend angesehen werden, aber wie sieht denn der Unterricht aus?
In einer Woche Praktikum habe ich 90 Minuten frontalen und lehrerzentrierten Unterricht im Sinne eines Lehrervortrags gesehen, ansonsten herrschen Gruppenarbeit und Einzelarbeit vor. Das ist im Vergleich zu meiner Schulzeit und anderen Praktika unglaublich viel, trotzdem kann und darf das nicht grundlos in den Himmel gelobt werden wie das gern von Experten getan wird. Ich kann einen sehr produktiven anspruchsvollen lehrerzentrierten Unterricht betreiben oder einen schülerzentrierten Unterricht der mehr eine Beschäftigungstherapie ist als irgendjemanden zu fördern. Hier in Schweden habe ich beide Extreme und auch viel dazwischen gesehen und kann im Nachhinein sagen, dass jede Unterrichtsform ihre Daseinsberechtigung und Sinn hat und ein durchdachter Mix wohl die besten Ergebnisse liefert – dazu kann ich aber wahrscheinlich erst in 20 Jahren mehr sagen.
Und bevor jetzt alle angehenden Potsdamer Lehrer einen Ausreiseantrag stellen, gilt es zu bedenken, dass das Einstiegsgehalt (nach dem Referendariat) bei 1500 Euro netto und kurz vor der Rente bei 2500 Euro liegt.
Die allgemeine Atmosphäre in der Schule war angenehm entspannt. Die Lehrer werden mit dem Vornamen angesprochen was entgegen einiger angestaubter Meinungen an deutschen Schule nicht zu einem Respektverlust führt. Man versucht den Schülern eher auf Augenhöhe zu begegnen als sich selbst auf ein Podest zu stellen.
Bei den Fächern selbst gibt es keine großen Unterschiede zu Deutschland, wohl aber bei der Gesamtstruktur der Schule. Das Schulsystem ist nicht dreigliedrig (z.B. Hauptschule, Realschule, Gymnasium), alle gehen nach der Grundschule aufs Gymnasium. Alle heisst in diesem Fall 98%, von denen wiederum 90% später auf die Uni gehen. Eine wirklich beachtliche Zahl, allerdings muss man beachten, dass z.B. auch Polizisten und Krankenschwestern an der Uni ausgebildet werden.
Die Schüler reagierten sehr unterschiedlich auf mich, einige waren sehr zurückhaltend andere dagegen konnten gar nicht genug Fragen stellen. Überraschend war, dass selbst die Schüler der 7. Klassen ein gutes Englisch gesprochen haben das eine problemlose Kommunikation ermöglichte. Zum Abschluss des Praktikums bat mich Lehrer Andreas einen Vortrag in seinen Deutschklassen zu halten. Was genau ich erzähltte war ihm egal, Hauptsache die Schüler haben die Möglichkeit einem Muttersprachler zu zuhören. Ditt war natürlisch pführ misch ohne Dialekt übahaupt keen Probleem. Ich holte mir den Mike noch mit ins Boot, wir sprachen ein wenig über das deutsche Schulsystem, unser eigenes Leben und Hobbys, berühmte Deutsche, den Karneval und und und. Die lieben Kleinen fandens spannend und am Ende waren alle zufrieden. Da eine Woche zu wenig Zeit ist um viel vom schwedischen Schulalltag zu sehen und auch die Deutschlehrer sich immer über Muttersprachler freuen, verabredete ich mit Andreas, dass ich im weiteren Verlauf meines Aufenthaltes beliebig oft zu Besuch kommen kann – klasse!
Kurz, ich bin rundum zufrieden und froh, dass ich diesen Kurs gewählt habe, aber eine Woche lang um 6.00 Uhr aufstehen ist auch genug...

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