Freitag, 5. August 2011

Typisch Schwedisch

Nach fast einjährigem Aufenthalt werde ich oft gefragt, na was ist denn nun typisch schwedisch? Keine einfache Frage, es reicht ja schon wenn man sich fragt: was ist typisch deutsch? Es gibt wenig eindeutige Antworten, dennoch sind mir ein paar Dinge aufgefallen die ich hier in loser Abfolge wiedergeben möchte. Einiges ist erstaunlich und beneidenswert, anderes vielleicht befremdlich und vor allem: alles ist subjektiv.

  • ·     Beim Einkaufen werden die Waren so auf das Band gelegt, dass der Kassierer die Strichcodes leicht scannen kann – nur deutsche Touristen bauen Türme.
  •  ·    Geschlechtsverkehr mit Tieren ist solange erlaubt bis sich das Tier beschwert. Dieses Gesetz ist wohl schon sehr alt und kommt wahrscheinlich aus dem dünnbesiedelten Norden
  •       Das Einkommen aller Bürger kann problemlos nachgelesen werden.
  •       Aufs Steak gibt’s Apfelmus
  •       Auf die Pizza gibt’s Bananen und Erdnüsse, das ist wirklich lecker!
  •       Zu Fleischbällchen gibt’s Marmelade
  •       Und diese Fleischbällchen werden Schöttbülla gesprochen – ohne „K“
  •       Surströmming, verfaulter Stinkefisch gilt als Delikatesse. Ich hab ihn einmal gerochen, das reicht!
  •       Das Handy am Steuer ist erlaubt, Geschwindigkeitsübertretungen sind dafür sehr teuer, genauso wie Fahren unter Alkoholeinfluss
  •       Ja, Alkohol ist teuer (eine 0,7l Flasche Jägermeister: 9 Euro in Deutschland, 27 Euro in Schweden) 
  •       Im Supermarkt gibt es nur Bier bis 3,5% 
  •       Es wird weit unter europäischem Durchschnitt geraucht
  •       Dafür wird „gesnust“, hierbei werden kleine kautabakähnliche Päckchen unter die Oberlippe geschoben. Halloooooo Nikotin!
  •       Man kann und muss oft Nummern ziehen. Am Fleischer, am Bäcker, am Bahnschalter, an der Info der Uni…noch nicht an den Toiletten…noch.
  •       Man wartet gern in Schlangen, zumindest wird es nicht als schlimm empfunden, kein Grund sich aufzuregen.
  •       Regeln sind Regeln und die werden für nichts und niemanden gebeugt.
  •       Pünktlichkeit wird größer geschrieben als in Deutschland.
  •      Geflucht wird auf den Teufel und nicht auf Fäkalien, hat was unschuldiges.
  •      Statt Tatort läuft sonntags ein Wallanderkrimi.
  •       Thailand kann als späte Kolonie angesehen werden, ungefähr 99% aller Schweden waren schon da.
  •       Beim ersten frühlingshaften Sonnenstrahl sind sofort alle draußen und sonnen sich (gern auch im Bikini bei 10°C)
  •       TV und Kinofilme werden nicht synchronisiert, fast alles läuft auf Englisch mit schwedischem Untertitel
  •       Friseure verdienen mehr als Lehrer
  •       Große Sportarten sind Eishockey, Hallenhockey (Innebandy), Handball und Fußball
  •       In Schweden geht man nicht auf „Dates“
  •       Es wird viel Süßes gegessen, übergewichtig sind trotzdem nur wenige
  •       Gehetzt wird bei der Arbeit nicht, wieso auch? Die läuft ja nicht weg.
  •       Würste schmecken nach Sägespähnen.
  •       Schweden sind anfänglich sehr zurückhaltend aber freundlich.
  •       Schweden sind oft sehr praktisch veranlagt.
  •       Sie lieben das Reisen.
  •       Schweden lieben Kaffee und den kann man sich fast immer nachfüllen bis man nicht mehr still sitzen kann.
  •       Schweden sind entspannt.

Viele kleine Unterschiede aus dem alltäglichen Leben habe ich sicher schon wieder vergessen, ich hoffe ein kleiner Eindruck ist trotzdem entstanden.

Auf allen vieren

Nur sechs Monate und unzählige so-fühlen-sich-also-alte-Menschen-Momente später, wurde mein Ski-Week-gebeuteltes Knie wieder gerichtet. Das Ganze war eher amüsant und aufregend als schmerzhaft und unbehaglich. Das erste Mal im Leben eine Narkose – und was da alles für Apparaturen im OP herumstehen, wie was meint der mit „tief einatmen?“ ist doch alles voll spannenddddddddddddd…und schon war der Zauber wieder vorbei. Ich wache auf, bekomme Tee, zwei Krücken, ein paar Schmerztabletten und Trombosespritzen. Ist nicht euer Ernst! Die muss ich mir selbst geben? Niemals! Na ok, vielleicht doch, aber nur unter…stillem Protest. Wer tut sich denn schon gern selbst weh? Dank dieser Erfahrung weiß ich eines genau: ich bin ganz sicher kein Masochist – wie das mit der Berufswahl zusammenhängt kann ich mir aber auch nicht erklären.

Zu Hause angekommen stehe ich schon vor der ersten Hürde, die Treppe. Sicher freue ich mich, dass ich sofort wieder laufen kann und soll, aber bis in den vierten Stock und dabei nur ein Bein belasten? Wenn das mal nicht ein asymmetrisches Hinterteil gibt.

Am nächsten Tag geht es die mühsam gewonnenen Höhenmeter wieder abwärts zur Nachuntersuchung, um genauer zu sein: für einmal Handauflegen des Arztes. Wer weiß, vielleicht war das eine magische Geste und dem ungeschulten Auge entgeht die fließende, heilende Energie die bei dieser einzigen zweisekündigen Berührung übertragen wird. Ihm passt was seine Gabe ihm geflüstert hat und ich kann meinen 90-minütigen Heimweg antreten. Dabei wird mein Entdeckersinn geschult, denn an jedem U-Bahnhof gibt es einen Fahrstuhl oder eine Rolltreppe – man muss sie nur finden. Gut dass ich nicht zusätzlich ein Problem mit den Augen habe, sonst hätte ich im Leben nicht alle gefunden. Auf geraden Strecken macht mir allerdings niemand etwas vor, da geht es immer 1-3-1-3-1-3-1-3 – mit vier Beinen ist man schließlich schneller als mit zweien.